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Selbst- und Fremdwahrnehmung in Wohnungsunternehmen

Der blinde Fleck

Bitte betrachten Sie zur Einstimmung die folgende Übung, die Sie vielleicht aus Ihren Kindertagen kennen (Drucken Sie das Bild dazu gegebenenfalls auf einem A4-Blatt aus.):

Blinder Fleck

Schließen Sie das rechte Auge und fixieren Sie mit dem linken Auge das Kreuz. Wenn Sie nun den Abstand des Blattes variieren (in einem Abstand von ungefähr 10 bis 40 cm), so "verschwindet" plötzlich der Punkt bei einem bestimmten Abstand. Geben Sie nicht zu schnell auf, Sie werden es sicher recht schnell bemerken.

Warum ist das so? Ohne hier auf anatomische oder physikalische Details eingehen zu können, soll nur kurz Folgendes erläutert werden. Licht und damit auch Bilder, Gegenstände usw. werden durch die Augenlinse auf die Netzhaut projiziert. Der Projektionsort ist dabei unter anderem vom Einfallswinkel auf die Linse abhängig. Dieser Einfallswinkel verändert sich mit der Entfernung des Gegenstandes. Auf der Netzhaut sorgen Lichtrezeptoren für die Aufnahme der Projektionen, die anschließend über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet werden. An der Stelle jedoch, an der dieser Sehnerv mit der Netzhaut verbunden ist, befinden sich keine Lichtrezeptoren. Folglich können Bilder, die an diese Stelle projiziert werden, nicht wahrgenommen werden. Genau dies geschieht mit dem Punkt, wenn sich das obige Bild in dem passenden Abstand vor dem Auge befindet.

Dieses Phänomen wird als "Blinder Fleck" bezeichnet.

Viel interessanter ist allerdings die Frage danach, was Sie denn an der Stelle sehen, an der der Punkt verschwunden ist. Sie werden bemerkt haben, dass der Punkt Ihnen nicht als fehlend auffällt. Unser Gehirn verarbeitet die Sinneseindrücke also so, als würde an der Stelle des blinden Flecks nichts fehlen. Tatsächlich haben wir ja auch sonst nicht das Gefühl, in unserem Sehfeld eine Lücke zu haben, die ja eigentlich immer vorhanden ist, da irgendetwas immer auf den entsprechenden Teil der Netzhaut projiziert wird. Im obigen Beispiel nimmt man den weißen Hintergrund als durchgehend wahr. Man kann auch sagen, dass unser Gehirn die Bildinformationen aus den Nachbarbereichen einblendet. Somit bemerken wir unseren Fleck unter normalen Umständen also gar nicht.

Der Physiker Heinz von Foerster hat dieses Phänomen so treffend ausgedrückt: "Wir sehen nicht, dass wir nicht sehen.“

Die Bedeutung von Selbst- und Fremdwahrnehmung

Was hat das alles mit Ihrer Tätigkeit in Ihrem Wohnungsunternehmen zu tun? Nun, übertragen auf Ihren Umgang mit Mietern oder Interessenten, auf Ihre Gesprächsführung, aber auch auf Ihr Verhältnis zu Ihrem Vorgesetzten oder Ihren Mitarbeiten usw. bedeutet dies, dass es bestimmte Bereiche gibt, die Sie gar nicht wahrnehmen. Oder, etwas anders ausgedrückt, es gibt zumindest Bereiche, die Sie anders wahrnehmen als Ihr Gesprächspartner oder andere Personen.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie seien sehr genau und korrekt. Sie sind bemüht, sich präzise und perfekt auszudrücken. Können Sie sich vorstellen, dass ein möglicher Gesprächspartner Sie dann als besserwisserisch oder arrogant wahrnehmen könnte? Und falls ja, wie könnte sich das wohl auf Ihr Gespräch auswirken?

Oder stellen Sie sich einen Redner vor, der eine "Vorliebe" für ein bestimmtes Wort hat. Hat er häufig die gleichen Zuhörer, mag es vorkommen, dass ein oder zwei Zuhörer während des Vortrages beginnen, die Verwendung dieses Wortes zu zählen. Oftmals bleibt dann eine gewisse Erheiterung nicht unbemerkt. Das kann den Redner unter Umständen massiv irritieren, weil er die Erheiterung möglicherweise seinen Redeinhalten zuschreibt.

Der blinde Fleck ist somit in vielen Situationen hinderlich für ein erfolgreiches Handeln und Auftreten oder eine gelingende Kommunikation. In anderen Situationen oder Zusammenhängen wird ein kollektiver blinder Fleck manchmal auch als "Betriebsblindheit" bezeichnet.

Es gibt jedoch auch andere Beispiele: In meinen Präsentationstrainings frage ich Teilnehmer, die einen Vortragseinstieg gehalten haben, immer danach, wie Sie sich dabei gefühlt haben. Häufig ist die Antwort, dass sich der Teilnehmer sehr angespannt und unsicher gefühlt hat. Das ist sicher nachvollziehbar. Erstaunlich ist aber, dass in vielen Fällen die überwiegende Zahl der Zuhörer diese Unsicherheit überhaupt nicht wahrgenommen hat. Können Sie sich vorstellen, wie diese Einschätzung dann auf den Redner zurückwirkt und ihn bei seinem nächsten Auftritt beruhigt?

Eine mögliche Lösung zur Erkennung des blinden Flecks liegt, wie bei der obigen Übung, auf der Hand: Sie müssen einen Schritt zurück treten, die Perspektive wechseln, um Ihren "blinden Fleck" zu erkennen.

Das Johari-Fenster

In Anlehnung an das nach den Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham benannte "Johari-Fenster" lässt sich der "blinde Fleck" in den Zusammenhang von Selbst- und Fremdwahrnehmung einordnen.

Hierbei wird das Bewusstsein über das eigene Verhalten in der Interaktion mit anderen vereinfacht in folgender Matrix dargestellt:

Johari-Fenster

  1. Der Privatbereich (mir bewusst, anderen unbekannt): Dies sind Ihnen bewusste Teile Ihrer Person, die vor anderen verborgen werden sollen (z.B. Einstellungen, Meinungen, Gefühle, Motivationen, Tatsachen). Das eigene Ich wird hier bewusst vor den anderen geschützt.
  2. Der gemeinsame Bereich (mir bewusst, anderen bekannt): Dies sind Ihre Verhaltensanteile, die sowohl Ihnen als auch anderen bewusst sind.
  3. Der unbekannte Bereich (mir unbewusst, anderen unbekannt): Dies sind Teile Ihrer Person, die weder Ihnen noch anderen bekannt oder bewusst sind.
  4. Der unbewusste Bereich oder der Bereich des "blinden Flecks" (mir unbewusst, anderen bekannt): Dies sind die Teile Ihrer Person, die Ihnen selbst nicht bewusst, für andere jedoch sichtbar sind. Der Bereich des "blinden Flecks" ist, wie bereits beschrieben, in vielen Fällen hinderlich für erfolgreiches Handeln.
Dieser Bereich des "blinden Flecks" bedarf daher besonderer Aufmerksamkeit. Eine besonders wirksame Möglichkeit, den Bereich des "blinden Flecks" in der Interaktion mit anderen zu verringern, stellen Feedbackgespräche dar, die nachfolgend erläutert werden.

Feedbackgespräche

Wie in der Übung mit dem Punkt und dem Kreuz beschrieben, müssen Sie die Perspektive wechseln, um Ihren "blinden Fleck" zu erhellen. Beim Wechsel der Perspektive können Sie von anderen Personen durch deren Feedback unterstützt werden. Gleichzeitig können Sie andere durch Ihr Feedback unterstützen. Feedback ist dabei die Rückmeldung eigener Beobachtungen und Wahrnehmungen über das Verhalten einer anderen Person an diese Person.

Feedback, beispielsweise durch Kollegen oder Gesprächspartner, ist damit auch ein hervorragendes Instrument, etwas über das eigene Verhalten bei der Führung von Gesprächen zu erfahren.

Eine wichtige Bemerkung jedoch vorab: Bitte seien Sie sich in einem Feedbackgespräch immer dessen bewusst, dass es sich bei den Wahrnehmungen des Feedbackgebers um dessen ganz persönliche Wahrnehmungen handelt, die damit für sich genommen keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Erst über Feedbackgespräche mit verschiedenen Personen und zu verschiedenen Situationen eröffnet sich für den Feedbackempfänger die Möglichkeit, seinen "blinden Fleck" zu erhellen.

Hier sei auch eine ganz klare Abgrenzung zwischen Feedback- und Kritikgespräch angemerkt. Die Intention eines Kritikgespräches ist es, eine bestimmte Änderung des Verhaltens herbeizuführen. Bei einem Feedbackgespräch gibt es keine solche Intention.

Im Folgenden finden Sie einige Hinweise, die sowohl dem Feedbackgeber als auch dem Feedbackempfänger helfen können, ein erfolgreiches Feedbackgespräch zu führen.

Hinweise für den Feedbackgeber

Geeigneter Zeitpunkt

Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt für Ihr Feedback. Ihr Gesprächspartner sollte nicht gerade von anderen Aufgaben besonders stark in Anspruch genommen oder durch bestimmte Zusammenhänge belastet sein.

Positiver Einstieg

Beginnen Sie Ihr Gespräch möglichst mit einem positiven Aspekt, der Ihren Gesprächspartner betrifft. Sprechen Sie ihn also auf der Beziehungsebene positiv an. Das kann eine Begebenheit aus der Vergangenheit sein oder auch nur eine kleine aktuelle Äußerlichkeit. Der Aspekt sollte jedoch zutreffen und natürlich ernsthaft sein.

Teilen Sie Ihrem Gesprächspartner dann mit, dass Sie ihm gerne zu einem bestimmten Zusammenhang Ihr Feedback anbieten möchten und fragen Sie ihn danach, ob ihm dies angenehm ist.

Konkrete, nicht wertende Situationsbeschreibung

Ist Ihr Gesprächspartner einverstanden, so beschreiben Sie ihm dann kurz die Situation, um die es sich handelt. Ihr Gesprächspartner sollte sich möglichst daran erinnern können. Seien Sie dabei so konkret und präzise wie möglich. Erläutern Sie den Zusammenhang so ausführlich wie nötig und vermeiden Sie Ausschweifungen. Nehmen Sie möglichst keinerlei Interpretationen oder Wertungen in Ihrer Beschreibung vor. Hier steht die Sachebene im Vordergrund.

Darstellung der eigenen Wahrnehmung / Betroffenheit

Stellen Sie Ihrem Gesprächspartner danach dar, wie Sie persönlich die Situation erlebt und was Sie dabei empfunden haben. Machen Sie dabei deutlich, dass es sich um Ihre ganz persönliche Wahrnehmung handelt. Verwenden Sie hierzu nach Möglichkeit "Ich"-Aussagen und vermeiden Sie vermeintlich allgemeingültige Aussagen. Stellen Sie dabei sowohl positive als auch negative Empfindungen dar. Hier sprechen Sie hauptsächlich auf der Ebene der Selbstoffenbarung.

Dies ist der schwierigste Teil Ihres Feedbacks. Seien Sie sich dabei immer dessen bewusst, dass es auch in Ihrer eigenen Wahrnehmung "blinde Flecke" gibt. Vermeiden Sie daher auch in dieser Phase jegliche allgemeine Beurteilung oder gar eine Verurteilung Ihres Gesprächspartners. Zeigen Sie Ihrem Gesprächspartner weiterhin Ihre Wertschätzung (Beziehungsebene) und richten Sie keinen Appell an ihn.

Hinweise für den Feedbackempfänger

Geeigneter Zeitpunkt

Nehmen Sie nur dann das Angebot eines Feedbackgespräches an, wenn Sie hierfür ausreichend Zeit haben und nicht gerade mit anderen Dingen belastet sind.

Rückfragen

Hören Sie Ihrem Gesprächspartner aufmerksam zu und lassen ihm Zeit auszureden. Stellen Sie bei Bedarf Rückfragen, die für Sie zum Verständnis der Ausführungen des Feedbackgebers erforderlich sind. Besonders dann, wenn Ihr Gesprächspartner eher etwas zurückhaltend sein sollte, können Sie ihn durch Ihre Fragen ermutigen, etwas mehr zu erzählen. Berücksichtigen Sie dabei jedoch, dass Ihr Gesprächspartner möglicherweise nicht alle Fragen beantworten kann. Drängen Sie ihn dann nicht zu einer Antwort, sondern nutzen Sie die Informationen, die er Ihnen geben kann.

Vermeiden Sie Rechtfertigungen

Das Ziel eines Feedbackgespräches ist es, Ihnen eine Möglichkeit zu geben, Ihr eigenes Verhalten aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen. In einem guten Feedbackgespräch beschreibt Ihnen der Feedbackgeber seine eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen - sonst nichts. Rechtfertigungen Ihrerseits sind deshalb völlig unangebracht. Sie widersprechen zum einen dem Ziel des Gespräches, denn weshalb sollten Sie die Wahrnehmungen Ihres Gesprächspartners rechtfertigen können. Zum anderen könnten Sie Ihren Gesprächspartner veranlassen, auf Ihre Rechtfertigungen zu reagieren oder das Gespräch zu beenden. Somit vergeben Sie die Chance, etwas über Ihren "blinden Fleck" und über sich selbst aus der Wahrnehmung anderer zu erfahren.

Dank für das Gespräch

Danken Sie Ihrem Gesprächspartner abschließend für das Feedback.

Die Auswertung des Gespräches und die Frage, ob oder was Sie in Zukunft verändern werden, ist dann ganz alleine Ihre Sache.

Wenn Sie wollen, können Sie Ihrem Gesprächspartner jedoch diejenigen Punkte nennen, die für Sie wichtig waren. Sie müssen dies aber nicht. Geben Sie Ihrem Gesprächspartner bei Bedarf eine Rückmeldung darüber, wie Sie sich während des Gespräches gefühlt haben. Sie können ihn dadurch schließlich ermuntern, Ihnen auch in zukünftigen Fällen Feedback zu geben.

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